Die Geschichte des Glases und das Glaskunstdorf

Geschichtliches

Der Werkstoff Glas hat die Menschen schon in grauer Vorzeit fasziniert und verzaubert. Das geht aus vielen Funden hervor, die vor allem im Bereich der Levante gemacht wurden. Ob das Glas in Mesopotamien oder in Ägypten erfunden wurde, wird sich vielleicht nie vollständig klären lassen. Fest steht, dass Glas schon vor 1500 v Chr. erzeugt wurde. Das älteste sicher zu datierende Kunstwerk aus Glas ist ein Kelch, der dem Pharao Tutmosis dem III gehört hat und um das Jahr 1450 v. Chr. entstand. Die ersten bekannten Rezepte für die Herstellung von Glas aus Sand, der Asche von Meerespflanzen und Kreide stammen aus dem 7. Jahrhundert vor Christi Geburt. Etwas später wurde in Phönizien die Glasmacherpfeife erfunden, die eine neue Ära bei der Fertigung von Hohlglas einläutete.

Eine Hochblüte erlebte die Glaserzeugung in der Antike im römischen Reich. Der Prozess der Glaserzeugung war schon in der Zeit um 300 n. Chr. arbeitsteilig und "industrialisiert". Es gab Rohglashütten und glasverarbeitende Betriebe, die Hohlglas (Gefäße), Flachglas (auch Fensterglas) und bunte Mosaiksteine, die zur künstlerischen Ausgestaltung von privaten und öffentlichen Gebäuden verwendet wurden, produzierten.

Die Herstellung von Schmuckstücken war ein weiterer wichtiger Verwendungszweck des zu dieser Zeit überaus edlen Materials. Im Zuge des kulturellen Austausches, der auch an den Grenzen des "Imperium Romanum" stattfand, ging die Kunst des Glasmachens von den Römern auf die Germanen über. Diese stellten vor allem das durch seine grüne Farbe charakterisierte Waldglas her und verwendeten erstmals die auch hierorts bis ins 20. Jahrhundert im Einsatz befindliche Asche von Buchenholz als Flussmittel.

Neben dem germanischen Siedlungsraum war Venedig seit dem 11. Jahrhundert das europäische Zentrum der Glaserzeugung. Die Glaserzeugung war, wie auch heute noch, auf der Insel Murano konzentriert und für die einzigartige Qualität ihrer Produkte berühmt. Weltberühmt sind auch heute noch Glasperlen aus Venedig, die zuweilen sogar den Status eines Zahlungsmittels hatten. Eines der wichtigsten Einsatzgebiete von Glas war im Mittelalter die Gestaltung von Kirchenfenstern, die in Kapellen, Kirchen und Kathedralen für die Verherrlichung der Heiligen, die Verbreitung von Geschichten aus der Bibel und ganz allgemein für einzigartige Lichtstimmungen sorgten. Ein eindrucksvolles Beispiel für die Glaskunst im sakralen Kontext ist die Rosette der Kathedrale im französischen Reims. In der Neuzeit fand vor allem das Flachglas durch neue industrielle Fertigungstechniken weite Verbreitung. Es wird heute durch enorme technische und technologische Fortschritte nicht mehr nur für Fenster verwendet, sondern hat sich als vielfältiger Baustoff etabliert und die Architektur in manchen Bereichen geradezu revolutioniert. Ein Beispiel dafür ist der neue Hauptbahnhof in Berlin.

Auch in der Kunst spielt Glas noch immer eine wichtige Rolle. Kristallglas aus Böhmen und dem Waldviertel gelangte etwa auch durch Künstler wie den Gutenbrunner Johann Josef Mildner zu Weltruhm. Heute findet Glas in allen wesentlichen Bereichen unseres Alltags Verwendung. Besondere Bedeutung hat in der Neuzeit der Bereich der Optik gewonnen. Auch hier werden in Österreich Produkte von Weltruf wie etwa die Ferngläser der Firma Swarovski hergestellt.


Physik und Chemie

Glas ist nicht nur wegen der Vielfalt der Einsatzgebiete und Verwendungsmöglichkeiten ein eindrucksvoller Werkstoff. Auch aus der Sicht der Physik und der Chemie ist Glas ein höchst bemerkenswertes Betrachtungsobjekt. Aus dem Blickwinkel der Chemie betrachtet besteht Glas, wie wir es aus dem alltäglichen Gebrauch kennen, hauptsächlich aus Siliziumdioxid, dem je nach Bedarf und Anforderungsprofil andere Stoffe beigefügt werden um bestimmte mechanische und optische Eigenschaften zu erzielen.

Glas nimmt unter den uns bekannten Werkstoffen insofern eine Sonderstellung ein, als es physikalisch betrachtet zwar einerseits als Festkörper, andererseits aber als Flüssigkeit angesehen werden kann und muss. Fest steht, dass Glas keine herkömmliche kristalline Struktur ausbildet und dass der exakte innere Aufbau dieser Substanz noch immer Gegenstand intensiver Forschungstätigkeit ist. Glas ist im Zustand der Erkaltung und als Schmelze amorph. Bearbeiten und verformen lässt sich Glas im sogenannten Transformationsbereich, der bei den meisten Gläsern etwa bei 600 Grad Celsius liegt. Schon daraus ergibt sich der hohe Bedarf an Energie, der für die Erzeugung und die Verarbeitung dieses Materials notwendig ist. Aus chemischer Sicht sind Einkomponenten- und Mehrkomponentengläser zu unterscheiden. Einkomponentengläser bestehen aus nur einem Netzwerkbildner (meistens Silizium). Zur Erzeugung von Mehrkomponentengläsern sind mehrere chemische Elemente als Zusatzstoff gebräuchlich. Verwendet werden vor allem Natrium, Kalium und Kalzium, die als Netzwerkwandler eingebaut werden und die Eigenschaften des Endproduktes entscheidend beeinf lussen. Zusatzstoffe verändern je nach Dosierung und Verarbeitungsprozess die Farbe (Absorption von Licht in verschiedenen Spektralbereichen), den Brechungsindex, die Härte, die Elastizität, die Widerstandsfähigkeit gegenüber Säuren und Laugen, die thermische Belastbarkeit, die Wärmeleitfähigkeit, aber auch die elektrischen Eigenschaften von Glas. Ein wichtiger Veredelungsprozess ist für viele Gläser die Beschichtung, meist mit feinsten Metallschichten. Glas wird, meist um bestimmte optische Effekte zu erzielen, geätzt, sandgestrahlt oder graviert.


Glas und Kunst

Die künstlerische Gestaltung von Glas hat schon in der Antike eine bedeutende Rolle gespielt. Das faszinierende Material wurde bereits von den Pharaonen als Material von Kunst- und Kultgegenständen geschätzt. Vor allem Hohlglas wurde zu allen Zeiten nicht nur als Gebrauchs-, sondern auch als Kunstgegenstand betrachtet. Gläser, Flaschen, Vasen, Flakons und Phiolen waren über die Zeiten hinweg nicht nur Gebrauchsgegenstände sondern immer auch Ausdruck eines gewissen Lebensstils, wirtschaftlicher Potenz oder einfach nur von Geschmack und Stilsicherheit. Einen besonderen Höhepunkt erreichte die Glaskunst im Biedermeier (hier fand das Material Bleikristall erstmals breitere Verwendung) und in der Periode des Jugendstil, in der sich viele bekannte Künstler mit dem Material auseinandersetzten und mit Formen, Farben und Ornamenten experimentierten.

Einer der bekanntesten Glaskünstler des 20. Jahrhunderts war Emile Gallé, der sich Ende des 19. Jahrhunderts einen Namen als stilsicherer Virtuose im Umgang mit dem spröden Material machte. Künstlerisch gestaltet wurde aber nicht nur Hohlglas.

Auch aus Flachglas wurden viel beachtete Kunstwerke geschaffen. Bekannte Beispiele der beeindruckenden Wirkung künstlerisch gestalteter Glasflächen sind die Werke von Marc Chagall, aber auch von Markus Lüpertz und anderen. Neben vielen heute unbekannten und einigen berühmten Künstlern setzte sich eine Unzahl an meist unbedankten Kunsthandwerkern mit enormem Einsatz und Sachverstand und nicht zu unterschätzender Kunstfähigkeit mit dem Werkstoff auseinander und schuf besonders auch in unserer Region Gebrauchsgegenstände von hoher Qualität, die unseren Alltag bereichern und die von vielen Kennern als Dekorations- oder Gebrauchsgegenstände geschätzt werden.


Faszination Glas

Glas kommt auch in der Natur vor. Eines der bekanntesten natürlichen Gläser ist der Obsidian. Für die Entstehung von natürlichem Glas gibt es mehrere Ursachen: Glas entsteht, wenn hohe Temperaturen auf geeignete Ausgangsmaterialien (=Sande) einwirken und wenn die erhitzte Masse zu schnell abkühlt um Kristalle ausbilden zu können. Diese Ereignisse können sowohl natürlichen (Blitze, Meteoriteneinschläge, Vulkanismus) als auch menschlichen Ursprungs (Atombombenzündung) sein. Auch natürliche Gläser wurden und werden vielfältig genutzt. In der Steinzeit dienten sie wegen ihrer scharfkantigen Bruchkanten in erster Linie als Werkzeuge. Vielfach wurden sie jedoch auch zu Schmuckstücken und Figurinen oder, wie im alten Rom, zu Spiegeln verarbeitet. "Fortuna vitrea est….": (Glück und Glas, wie leicht bricht das.) Schon die alten Römer wussten über die Eigenschaften und Tücken von Glas recht gut Bescheid. Besonderes Know–how in der Verarbeitung von Glas liegt auch heute noch im Abkühlungsprozess, der bei der Glasproduktion dafür sorgt, dass möglichst wenig von den wertvollen Produkten "zu Bruch geht". Wenn es aber doch einmal passiert, ist das gar nicht so schlimm, denn oft ist "Altglas" ein fixer Bestandteil der Glasrezeptur, die auch heute noch ein gut gehütetes Geheimnis jeder Glashütte ist.

Die besondere Faszination des Materials Glas liegt in seinen optischen Eigenschaften - nämlich in seiner Eigenart Licht verschiedener Wellenlängen im Bereich des sichtbaren Lichts passieren zu lassen, beziehungsweise es zu absorbieren. Der Durchbruch für Glas als Werkstoff war eng mit der Erfindung des farblosen Glases durch den Venezianer Angelo Barovier im 15. Jhdt. verknüpft. Sein Verfahren bedeutete für die venezianische Glasindustrie einen wesentlichen Technologievorsprung, den die Machthaber unbedingt schützen wollten. Die "Glasalchimisten" wurden daher als Geheimnisträger eingestuft und auf der Insel Murano, die noch heute für ihre Glasprodukte berühmt ist, kaserniert.

Sie lebten dort wie in einem goldenen Käfig, denn sie genossen vor Ort als Günstlinge des Dogen viele Privilegien und Vergünstigungen. Entschloss sich ein Meister aber zur Flucht, wurde er oft durch ganz Europa verfolgt. Der Werkstoff Glas hat die Menschen durch seine bis in die heutige Zeit ungebrochene Faszination immer wieder zu Hoch- und Höchstleistungen animiert. Rund um das Thema Glas sind eine Menge mehr oder weniger kurioser Rekorde zu vermelden. Die Palette reicht vom Weltrekord im Glasorgelspielen über die größte Isolierglasscheibe, die größte Pyramide aus Kristallglas, das größte Holz -Metallfenster, den längsten Lauf über Glasscherben bis zur hier ausgestellten größten Sektf löte. Mindestens genauso beachtenswert sind aber auch die nicht verzeichneten Rekorde im Bereich der Glaserzeugung, -veredelung und -verarbeitung, die den Werkstoff Glas zum alltäglichen Wegbegleiter des modernen Menschen gemacht haben. Sei es die apochromatische Linse im Hochleistungsobjektiv, die wärmedämmende Verbundglasscheibe im Auto, das hitzebeständige Ceran- Kochfeld, das photochromatische oder bifokale Brillenglas, das berührungsempfindliche Handydisplay, das edle Weinglas oder auch nur der mehr oder weniger freundliche Spiegel, in den wir allmorgendlich blicken: Der Werkstoff Glas begleitet uns durch den Alltag und ist aus diesem nicht mehr wegzudenken.


Glas in der Region und im Glaskunstdorf

Böhmen und das Waldviertel sind für ihre Glasprodukte weltbekannt. Die Region erlebte die Hochblüte der Glasproduktion und -verarbeitung im 19. und im 20. Jahrhundert. Voraussetzung für die Glasproduktion war das Vorhandensein der für die Produktion notwendigen Rohstoffe in relativ großen Mengen. Die ausgedehnten Waldgebiete der Herrschaft Heidenreichstein boten genügend Brennholz für die Öfen und hochwertiges Buchenholz als Ausgangsstoff für die sogenannte Pottasche.

Sand und damit Siliziumdioxid wurde vor allem aus den Bächen der Region gewonnen. Der Prozess zur Herstellung der Pottasche war aufwendig und wenig ergiebig. Dazu wurde zuerst Buchenholz verbrannt, dessen Asche der Ausgangsstoff für den weiteren Verarbeitungsprozess war. Diese wurde in Wasser aufgelöst und in sogenannten "Pötten" - von diesen kommt auch der Begriff Pottasche - "gekocht" bis ein weißes körniges Pulver übrigblieb. Die Pottasche diente als Flussmittel um die Schmelztemperatur und die Viskosität des Werkstoffes zu verringern. Das vielleicht beliebteste und bekannteste Produkt der Region ist Hohlglas aus dem Werkstoff Bleikristall, das auf vielfältige Art und Weise nachbearbeitet und veredelt wurde. Bleikristall verdankt seinen Namen der Beimengung von geringen Mengen des Schwermetalls in das Ausgangsmaterial. Bleikristall zeichnet sich durch seinen Glanz und die Möglichkeiten, die es im Bereich der Bearbeitung und Veredlung bietet, aus. Beliebte Verfahren sind das Ätzen mit Flusssäure, das Gravieren und das Sandstrahlen. Eine Methode, die besonders beeindruckende Ergebnisse ermöglicht, ist die Technik des Überfangens. Hier wird eine Schicht farbigen Glases auf einen farblosen Glaskörper aufgetragen und nachher teilweise mechanisch oder chemisch wieder entfernt. Das Ergebnis ist beeindruckendes, individuell gestaltetes Kunsthandwerk erster Güte. Alt-Nagelberg wird in Urkunden schon im Jahr 1725 als Standort einer Glasfabrikation in der sogenannten Kallmützer Glashütte genannt. Die Glasproduktion in der Marktgemeinde Brand-Nagelberg ist untrennbar mit dem Namen Carl Stölzle verbunden. Er war durch die Heirat mit einer Stieftochter Johann von Beethovens zu einem beachtlichen Vermögen gelangt, kaufte im Jahr 1852 die bestehenden Glashütten in der Gemeinde und legte damit den Grundstein für eine beeindruckende Expansion. Diese gipfelte in der Gründung von Produktions- und Vertriebsstandorten in mehreren europäischen Metropolen (etwa in London, Mailand und Budapest), aber auch in New York. Alleine in Brand-Nagelberg beschäftigte die Firma Stölzle gegen Ende des 19. Jhdts. über 1000 Personen, unter anderem in einer Formenbauwerkstatt, einem eigenen Sägewerk und einer Brauerei. Die Glaserzeugung war zu jener Zeit durch einen Mangel an Brandschutzmaßnahmen und durch eingeschränkte Möglichkeiten bei der Brandbekämpfung ein gefährliches Geschäft. Brände in den Hütten kamen häufig vor. Dies führte dazu, dass die größeren Betriebe, wie etwa die Stölzle Glasfabrik im Laufe der Jahre eigene Betriebsfeuerwehren aufbauten. Die regelmäßigen Unglücksfälle sorgten zwar für Produktionsausfälle, hatten manchmal aber auch ihr Gutes, weil die Öfen und Hütten neu aufgebaut werden mussten und neue Technologien bzw. verbesserte Materialien den Produktionsprozess in den neuen Anlagen sicherer machten und die Produktivität steigerten. Nach dem "Aus" für die Firma Stölzle wird die Glaskultur in der Marktgemeinde Brand-Nagelberg von mehreren kleineren Betrieben weitergelebt, deren Inhaber meist ehemalige Glasfacharbeiter der Stölzle Glasfabrik waren und sind. Die Kreationen dieser Werkstätten stehen auch heute noch für Kreativität und herausragende Handwerkskunst. Ein Besuch in diesen lebendigen Werkstätten ist jedes Mal von Neuem ein eindrucksvolles Erlebnis, denn wo sonst kann man in Zeiten der industrialisierten Glasproduktion noch den alten Meistern bei der Herstellung einzigartigerer Pretiosen "über die Schulter schauen".

 

 

KONTAKT

Marktgemeinde Brand-Nagelberg
Hauptstrasse 117
3871 Alt-Nagelberg
Tel: +43(0)2859 7217
Fax: +43(0)2859 7217-17
Mail: info@brand-nagelberg.at

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